7. Große Beutegreifer

7. Große Beutegreifer

Seit einigen Jahren kehren große Beutegreifer – allen voran Wolf und Luchs, aber auch Braunbär und Kegelrobbe – in ihre angestammten Lebensräume in Europa und auch in Deutschland zurück. Große Wildnisgebiete können für sie dabei wichtige Rückzugsräume und Ausbreitungszentren sein. Auf regulierende Eingriffe kann in Wildnisgebieten verzichtet werden. Ohne Jagdgeschehen können wir die natürlichen Wechselbeziehungen zwischen Räubern und Beute und den bedeutenden Einfluss der Beutegreifer auf die Prozesse von Ökosystemen nachvollziehen.

Im 19. Jahrhundert wurden die großen Beutegreifer in Deutschland vollständig ausgerottet. Neben Wolf und Luchs war ursprünglich auch der Braunbär in unseren Wäldern heimisch. Inzwischen ist er wieder als sporadischer Gast im Alpenraum zu finden. Auch die Kegelrobbe ist an einsamen Stränden von Nord- und Ostsee wieder fest etabliert. So kommen etwa bei Helgoland jährlich und mit steigender Tendenz viele Jungtiere zur Welt.

Es gibt mehrere Gründe für die Rückkehr der großen Beutegreifer. Insbesondere bessere Schutzbestimmungen 1 und ihre effektive Umsetzung auf nationaler und internationaler Ebene schützen die Beutegreifer heute weitgehend vor Bejagung. Zudem haben sich die Wälder und Wildbestände nach drastischer Übernutzung seit dem Mittelalter erholen können. Großen, unzerschnittenen Wäldern kommt dabei als Lebensraum vor allem für Luchs und Bär ebenso eine Schlüsselrolle zu wie geschützten Küstenabschnitten für die Kegelrobbe.

Große Beutegreifer haben beträchtliche Raumansprüche, für die selbst große Wildnisgebiete in Deutschland nicht ausreichen. Ihre Streifgebiete gehen in der Regel deutlich darüber hinaus. So kann es außerhalb der Wildnisgebiete zu Konflikten kommen, wenn Beutegreifer Nutztiere reißen. Von den Landesregierungen gibt es finanzielle Unterstützung für Herdenschutzmaßnahmen gegen Wölfe und im Schadensfall nach den Wolfsmanagementplänen ggf. einen Ausgleich. Angriffe auf Menschen durch große Beutegreifer sind in Deutschland in den letzten Jahrhunderten nicht bekannt.

In großen Wildnisgebieten sind Beutegreifer uneingeschränkt willkommen und ihre Funktion im Ökosystem ist einzigartig. Effekte, die sie auf ihre Beutetiere und kleinere Beutegreifer ausüben, können durch Jagd nicht von Menschen ersetzt werden: Große Beutegreifer erbeuten nicht nur Tiere und wirken so auf deren Bestände; ihre bloße Anwesenheit beeinflusst das räumliche und zeitliche Verhalten ihrer Beutetiere und kleinerer Beutegreifer. Rehe und Hirsche weichen gegebenenfalls auf Lebensräume aus, die ihnen die Flucht erleichtern. Entscheidend ist für sie vor allem das Risiko, Beutegreifern zum Opfer zu fallen, und sie orientieren sich nicht mehr vorrangig am Vorkommen von Nahrung. Rotwild schließt sich unter Umständen bei Anwesenheit von großen Räubern in Gruppen zusammen, um die Umgebung gemeinsam besser überwachen zu können ohne die Nahrungsaufnahme zu vernachlässigen. Derartige Veränderungen im Verhalten der Beutetiere wirken sich unmittelbar auf die Vegetation und unter Umständen auch auf das gesamte Ökosystem aus.

Auch wenn insbesondere der Wolf nicht auf Wildnisgebiete angewiesen ist und sich scheinbar auch gut in unserer Kulturlandschaft zurechtfindet, sind große Beutegreifer wichtige Botschafter für Wildnisgebiete, und ihr Einfluss auf naturnahe Landschaften ist bedeutend. Durch ihr Potenzial, Prozesse mit weitreichenden Auswirkungen im Nahrungsnetz zu beeinflussen, sind sie in Wildnisgebieten Schlüsselarten. Die natürliche Artenausstattung an Beutegreifern sollte deshalb zugelassen werden, um ein vollständiges Ablaufen der Prozesse zu ermöglichen.

1 unter anderem die Berner Konvention, die Bonner Konvention und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie

Der Luchs wandert seit einigen Jahren wieder in seine angestammten Lebensräume in Europa und Deutschland zurück und bereichert unsere Natur.
Foto: ©Daniel Rosengren

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