2. Wildnis sichern
Die Anerkennung als Wildnisgebiet setzt eine Mindestgröße von 1.000 Hektar, in flussbegleitenden Auen, an Küsten und in Mooren von 500 Hektar voraus 1. Lassen es die naturräumlichen und eigentumsrechtlichen Rahmenbedingungen zu, sollte es die von der Wild Europe Initiative2 empfohlene Größe von 3.000 Hektar möglichst nicht unterschreiten.
Wildnisgebiete können aus verschiedenen Bereichen bestehen, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Fester und zentraler Bestandteil ist immer ein Wildnis-Kernbereich. Puffer- und/oder Entwicklungsbereiche können bei Bedarf eingerichtet werden. Ein Managementplan beschreibt die für die Bereiche jeweils notwendigen Maßnahmen.
Kernbereich: Im Kernbereich wird auf direkte Eingriffe des Menschen konsequent verzichtet. Die Natur darf sich ungesteuert und ergebnisoffen entwickeln. Es gibt möglichst keine Infrastruktur, die erhalten werden muss, keine öffentlichen Verkehrseinrichtungen, keine oberirdischen oder anderweitig störenden Leitungstrassen. Es gibt keine Anlagen für Energiegewinnung, Bergbau, Schifffahrt und anderweitige Landnutzung. Der Kernbereich muss mindestens 75 % des Wildnisgebietes ausmachen.
Pufferbereich: Wildnisgebiete sind im dichtbesiedelten Deutschland in eine teils intensiv genutzte Kulturlandschaft eingebettet. Pufferbereiche können eingerichtet werden, um Zielkonflikte zwischen den Wildnis-Kernbereichen und der angrenzenden bewirtschafteten Kulturlandschaft zu entschärfen. Pufferbereiche sind sowohl in der Schutzgebietskategorie 1b „Wildnisgebiet“ der Weltnaturschutzunion IUCN3 als auch in der Definition der Wild Europe Initiative vorgesehen. In den Pufferbereichen sind dauerhafte Maßnahmen, beispielsweise Wildtiermanagement, zulässig. Sie schützen die umgebende Kulturlandschaft vor unerwünschten Einflüssen aus dem Wildnisgebiet und puffern umgekehrt Einflüsse aus der genutzten Landschaft auf die Wildnis-Kernbereiche ab. Pflegemaßnahmen etwa zum Erhalt von FFH-Lebensraumtypen sollen auf zwingend notwendige Fälle begrenzt werden. Langfristiges Ziel sollte eine Verlagerung solcher Pflegeaktivitäten auf Flächen außerhalb des Wildnisgebietes sein.
Auf Pufferbereiche zur Vermeidung von Zielkonflikten kann insbesondere verzichtet werden, wenn das Wildnisgebiet Teil eines Schutzgebietes ist, das die Pufferfunktionen bereits sicherstellt, oder es an einer Grenze endet, an der keine unerwünschten Effekte zu erwarten sind (z. B. angrenzend an Küsten oder naturnah genutzte Wälder). Pufferbereiche können auch außerhalb des Wildnisgebiets liegen, solange sie die oben genannten Funktionen voll erfüllen und die jeweiligen Eigentümer und Nutzer der betreffenden Flächen der Übernahme der Pufferfunktion zustimmen.
Entwicklungsbereich: Neben Kern- und Pufferbereichen können zusätzlich Entwicklungsbereiche mit zeitlich befristetem Management ausgewiesen werden. Sie werden eingerichtet, falls fachlich begründete Initialmaßnahmen umgesetzt werden sollen. Zu diesen können beispielsweise Renaturierungen oder die Entnahme invasiver nicht-heimischer Arten (siehe Position 11) zählen. Spätestens nach zehn Jahren (im Ausnahmefall bis zu 30 Jahre) wird der Entwicklungsbereich in den Kernbereich überführt.
Wildnisgebiete sind dauerhaft rechtlich gesichert, sodass der Schutzzweck ausschließlich durch die gegenteilige Rechtshandlung (actus contrarius) aufgehoben werden kann. Eine Schutzgebietsausweisung – z. B. als Naturschutzgebiet oder als Nationalpark – mit dem ausschließlichen Schutzzweck „Wildnis“ sichert das Gebiet dauerhaft.
1Abweichungen von diesen Mindestgrößen sind in Kernzonen der Nationalparke und Biosphärenreservate möglich entsprechend den Bund-Länder-Kriterien für Wildnisgebiete.
2www.wildeurope.org/images/pdf/a-working-definition-of-european-wilderness-and-wild-areas.pdf
3www.iucn.org/theme/protected-areas/about/protected-areas-categories/category-ib-wilderness-area
Ein Wildnisgebiet ist dauerhaft und rechtlich wirksam gesichert, zum Beispiel als Naturschutzgebiet oder Nationalpark.
Foto: ©Daniel Rosengren