11. Wildnis und Neobiota

11. Wildnis und Neobiota

Als Neobiota werden Tiere und Pflanzen bezeichnet, die sich nach Beginn der Neuzeit 1 in Europa mit einem reproduzierenden Bestand dauerhaft etabliert haben. Sollten sich Neobiota in einem Wildnisgebiet ansiedeln oder vor der Einrichtung bereits angesiedelt haben, können nur solche Maßnahmen durchgeführt werden, die negative Einflüsse der Neobiota auf benachbarte Flächen verhindern und hinreichende Erfolgsaussichten haben.  

Grundsätzlich sollen in Wildnisgebieten Prozesse so weit wie möglich ohne menschlichen Einfluss stattfinden. Maßnahmen erfolgen deshalb nur, wenn Neobiota als invasiv 2 gelten und standortheimische Arten in ihrem Bestand bedrohen, zum Beispiel indem sie sie aus ihren angestammten Lebensräumen verdrängen.

Wildnisgebiete bestehen aus einem Kernbereich, in den durch den Menschen nicht eingegriffen wird. Eine umgebender Pufferbereich, der die benachbarte Kulturlandschaft schützt und deren Einflüsse auf den Kernbereich abpuffert, kann bei Bedarf eingerichtet werden. Je nach Bereich erfolgt innerhalb der Wildnisgebiete ein unterschiedliches Vorgehen, um Konflikte mit invasiven Arten (mit temporären oder dauerhaften Vorkommen) und deren unerwünschte Einflüsse auf Lebensräume der umgebenden Kulturlandschaft zu minimieren.

Im Kernbereich greift der Mensch nicht ein.


Im Kernbereich werden Neobiota grundsätzlich nicht bekämpft. Wildnisgebiete können deshalb wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, welche Rolle Neobiota ohne das Zutun des Menschen in Lebensgemeinschaften einnehmen. Es ist davon auszugehen, dass in großflächigen, ungesteuerten Wildnisgebieten neobiotische Pflanzen (ohne aktive Einbringung durch Menschen) die standortheimische Vegetation in der Regel nicht dauerhaft gefährden. In großen Gebieten kommt es auf lange Sicht nicht dazu, dass neobiotische Pflanzen ausgedehnte Flächen dominieren. In der Regel brechen die (zumeist monoklonalen 3) Bestände früher oder später wieder zusammen oder werden im Zuge der Sukzession von den standortheimischen Pflanzengesellschaften verdrängt. Bei neobiotischen Tieren kann es in seltenen Einzelfällen dazu kommen, dass heimische Arten verdrängt werden. Ein Handlungsbedarf kann vor allem dann bestehen, wenn vor der Ausweisung des Kernbereichs Neobiota aktiv eingebracht wurden und diese noch beseitigt werden sollen. Für solche Initialmaßnahmen sind in Wildnisgebieten maximal zehn Jahre vorgesehen. Bleiben Maßnahmen in diesem Zeitraum erfolglos, ist es in der Regel aussichtslos, Neobiota wieder aus dem Wildnisgebiet zu verdrängen.

Im Unterschied zum Kernbereich kann im Pufferbereich in begründeten Einzelfällen ein dauerhaftes Management stattfinden. Sensible Arten, die auf benachbarten Flächen zum Wildnisgebietes kleinräumig vorkommen, können Gefahr laufen, von Neobiota verdrängt zu werden. Dringen konkurrenzstarke, invasive Arten in diese Nachbarflächen vor, können heimische Arten unter Umständen nicht ausweichen, so dass deren lokale Vorkommen möglicherweise erlöschen. Ein dann notwendiges Eingreifen darf sich nur so wenig wie möglich auf das Wildnisgebiet auswirken (z. B. Belassen der Biomasse im Wildnisgebiet) und muss unter folgenden Maßgaben gerechtfertigt sein: Die Erfordernisse müssen nachgewiesen, gebietsspezifische Konzepte erstellt und der Erfolg durch ein geeignetes Monitoring beschrieben werden. Die Konzepte sind anhand der Erkenntnisse aus dem Monitoring regelmäßig zu aktualisieren und fortzuschreiben.

1 Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert / Ankunft der Spanier unter Kolumbus in Amerika

2 Zur Bewertung von Neobiota hinsichtlich ihrer Invasivität und ihren möglichen negativen Einflüssen auf die angrenzenden Flächen wird auf die AG Neobiota (www.neobiota.de/experten.html) bzw. auf die Invasivitätsbewertungen sowie Warnlisten des Bundesamts für Naturschutz BfN verwiesen.

3 bestehend aus einer Pflanze, die sich vegetativ vermehrt hat

In Wildnisgebieten wird je nach Bereich unterschiedlich vorgegangen, um Konflikte mit invasiven Arten zu verringern.
Foto: ©Manuel Schweiger

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