3. Wildnis erleben
In Wildnisgebieten soll sich die Natur frei entwickeln können. Gleichzeitig sind sie als Orte des Naturerlebens und zur Bildung der Öffentlichkeit zugänglich. Besucherinnen und Besucher profitieren durch einmalige Naturerfahrungen und positive Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden.
Ungezähmte, wilde Naturlandschaften sind auf der ganzen Welt touristische Anziehungspunkte und dienen auch in Deutschland als ökonomische Motoren in der jeweiligen Region. Sie ermöglichen Erfahrungen in und mit der Natur, die sich in der sonst vorherrschenden Kulturlandschaft nicht bieten. Wildnisgebiete faszinieren insbesondere dadurch, dass Natur wahrgenommen werden kann, die nicht unter dem Einfluss des Menschen steht: Ungebändigte Natur, wie wilde Bäche und Flüsse, alte Baumriesen und besondere Tier- und Pflanzenarten können hautnah mit allen Sinnen erlebt werden. Menschen finden in wilder Natur eine ergiebige Quelle der Inspiration und Kreativität.
Wildnisgebiete sind Orte des Lernens
Wildnisgebiete sind auch Orte des Lernens. Besucherinnen und Besucher entwickeln oft ein besseres Verständnis für die komplexen Zusammenhänge in ökologischen Systemen und eine Verbundenheit mit der Natur. Darauf baut die Wildnisbildung auf, die sich als neuer Schwerpunkt der Umweltbildung in Nationalparks entwickelt hat. Sie setzt zuerst auf das aktive und emotionale Erleben von Wildnis, bevor sich Wertebildung und Wissensvermittlung als nachfolgende Schritte anschließen. Ziel der Wildnisbildung ist, den Wert wilder Natur zu vermitteln und dazu anzuregen, über die Beziehung des Menschen zu ihr nachzudenken. Auch in Wildnisgebieten außerhalb von Nationalparks soll mit erlebnisorientierten Bildungs- und Exkursionsangeboten das Thema Wildnis vor allem sinnlich und emotional vermittelt werden.
Das Erleben wilder Natur beeinflusst auch unmittelbar unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Der Aufenthalt in Wäldern, am Meer oder in den Bergen lindert Stress, stärkt das Immunsystem und hebt das Selbstwertgefühl. Insbesondere naturnahe Wälder, wie wir sie in Wildnisgebieten finden, wirken sich offenbar positiv auf unser Immunsystem und unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress aus. Belastende Alarmreize aus dem Alltag, die z. B. vom Straßenverkehr ausgehen, bleiben beim Besuch von Wildnisgebieten nicht nur außen vor. Im Gegenteil: Die Reizüberflutung des Alltags wird in Naturlandschaften ausgeglichen und so die physische und psychische Gesundheit gleichermaßen gestärkt.
Wildnisgebiete sind Sehnsuchtsorte, die vielen Menschen die Möglichkeit geben zu genesen und sich zu erholen. Gleichzeitig ist der Besuch von Wildnisgebieten auch für deren Schutz von großer Bedeutung, denn die Erkenntnis von Konrad Lorenz hat auch heute noch Bestand: „Man liebt nur, was man kennt, und schützt nur, was man liebt.“
Besucherinnen und Besuchern sollten auch deshalb ausgezeichnete Möglichkeiten geboten werden, wilde Natur und Einsamkeit zu erleben. So sieht es auch die Schutzgebietskategorie 1b „Wildnisgebiet“ der Weltnaturschutzunion IUCN vor. In Wildnisgebieten darf man sich allerdings nur mit einfachen, leisen und unaufdringlichen Beförderungsmitteln fortbewegen. Zum Wandern und Spazierengehen haben sich in Wildnisgebieten gewundene, unbefestigte Pfade anstelle von breiten, geraden Wegen bewährt. Weniger, um eine Barrierewirkung für Tier- und Pflanzenarten im Gebiet zu vermeiden, sondern vielmehr, um den Wildnischarakter in der Wahrnehmung der Besucherinnen und Besucher nicht zu beeinträchtigen. Grundsätzlich ist eine freie Begehbarkeit von Wildnisgebieten zu begrüßen, Ausnahmen für sensible Bereiche müssen aber respektiert werden. Um Konflikte zwischen Besucherwünschen und ungestörter Naturentwicklung zu vermeiden, ist in der Regel eine Besucherlenkung und -information notwendig: In Wildnisgebieten ist der Mensch zwar willkommener Gast, soll sich aber auch als solcher verhalten.
Wildnisgebiete sind beliebte Ausflugs- und Urlaubsziele und stärken ländliche Regionen. Sie ermöglichen ein besseres Verständnis für die komplexen Zusammenhänge in ökologischen Systemen und eine Verbundenheit mit der Natur.
Foto: ©Daniel Rosengren