12. Wildnis und Erderhitzung

12. Wildnis und Erderhitzung

Die menschenverursachte Erderhitzung erfasst mittlerweile alle Regionen der Erde und betrifft somit auch Wildnisgebiete. Sie modifiziert somit eine der Rahmenbedingungen für die ungesteuerte Entwicklung in diesen Gebieten. Wildnisgebiete haben zum einen besondere Potenziale, durch Kohlenstoffbindung der Erderhitzung entgegenzuwirken. Gleichzeitig stellen sie Räume dar, in denen sich Arten und Lebensgemeinschaften an klimatische Veränderungen anpassen können. Außerdem lassen sich durch die Erderhitzung angestoßene Reaktionen natürlicher Ökosysteme nur in Räumen zweifelsfrei erkennen, die von steuernden Eingriffen des Menschen frei sind.

Die Erderhitzung ist zu einer der größten Bedrohungen sowohl für die menschliche Zivilisation als auch für die globale biologische Vielfalt geworden. Ausmaß und Rasanz dieser Veränderungen, die zur Verschiebung und teilweise zum Verschwinden ganzer Klimazonen führen, macht es vielen Arten kaum noch möglich, sich anzupassen bzw. mit den räumlichen Verschiebungen “mitzuwandern”. Viele Arten drohen daher auszusterben. Je stärker die Erderhitzung ausfällt, desto dramatischer sind die Folgen für Mensch und Natur. Neben der konsequenten Umsetzung von Maßnahmen zur Eindämmung der globalen Erhitzung sind auch Strategien zur Anpassung an sich verändernde klimatische Verhältnisse erforderlich.

Wildnisgebiete bieten hierfür besondere Potenziale: In ihnen kann sich die biologische Vielfalt ohne Überprägung durch menschliche Landnutzung verändernden Umweltbedingungen anpassen. Ein Großteil der Wildnisgebiete lässt zudem erwarten, dass sich Lebensräume entwickeln, die vor allem Temperaturextreme abpuffern: Naturnahe Wälder und wassergesättigte Moore weisen insbesondere im Vergleich zu genutzten Landschaften deutlich ausgeglichenere Temperaturverläufe auf. Auch die mittlere Luftfeuchtigkeit ist hier erhöht. Wildnisgebiete können Arten, die von der Erderhitzung besonders bedroht sind, somit Raum und Zeit verschaffen, sich zu adaptieren bzw. mit sich verschiebenden Klimazonen mitzuwandern.

Wildnisgebiete können auch einen Beitrag zur Begrenzung der Erderhitzung leisten. Viele natürliche Systeme bilden zum einen wesentliche Kohlenstoffspeicher, zum anderen aber auch langfristige Kohlenstoffsenken.

Wälder, die sich seit langer Zeit ohne forstliche Eingriffe entwickeln konnten, weisen z.B. im Mittel deutlich höhere Holzvorräte und somit auch darin gebundene Kohlenstoffmengen auf als genutzte Wälder.

Zudem binden die Böden in Wildnisgebieten, wie großen, forstlich nicht genutzten Wäldern, erheblich mehr Kohlenstoff als Böden, die im Zuge klassischer Landnutzung wiederkehrend gestört und hoher Lichteinwirkung ausgesetzt sind.

Moore speichern in ihren Torfkörpern enorme Kohlenstoffmengen. Vor allem für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung wurde der Großteil der Moore in Deutschland (ca. 95%) entwässert, der im Torf gebundene Kohlenstoff wurde und wird dadurch sukzessive als CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. Wildnisgebiete ermöglichen durch das Fehlen entsprechender Nutzungsansprüche die großräumige Wiedervernässung von Mooren. Im Idealfall wird dadurch nicht nur der Kohlenstoffspeicher erhalten, sondern es entstehen intakte Moore, die als CO2-Senke fungieren.

Auch Auen in ungesteuerter Entwicklung, wie sie großräumig vor allem in Wildnisgebieten möglich sind, fungieren als wichtige Festlegungsräume. Mit den sich im Zuge einer intakten Auendynamik ablagernden Sedimenten werden neben Kohlenstoff auch Stickstoff, Phosphor und andere Nährstoffe aus den jeweiligen Kreisläufen entzogen und akkumuliert. Intakte Auen und Moore dämpfen zudem das Abflussgeschehen nach Extrem-Niederschlägen, indem sie große Wassermengen zwischenspeichern.

Tangersdorfer Heide © Stefan Schwill

Zurück zu:

Überblick

Share This