8. Große Pflanzenfresser
Zahlreiche mitteleuropäische Großsäugerarten sind durch den direkten Einfluss des Menschen verschwunden, darunter viele wildlebende, große Pflanzenfresser – sogenannte Megaherbivoren.
So wurden auch Wisent, Wildpferd und Auerochse zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert in Mitteleuropa ausgerottet – die Wildformen der westlichen Unterart des Wildpferds und des Auerochsen unwiederbringlich. Der Wisent konnte aus Zoobeständen vereinzelt wieder in Deutschland in Großgehegen oder zumindest unter Veterinäraufsicht angesiedelt werden.
Er hat aber bislang keine überlebensfähigen, ausreichend großen Populationen aufbauen können. Das Vorkommen des Elchs in Deutschland beruht auf eigenständiger Rückwanderung und beschränkt sich bisher auf die östlichen Randbereiche – aber mit steigender Ausbreitung in den letzten Jahren. Allein der Rothirsch hat recht große Verbreitungsgebiete; allerdings gilt in weiten Teilen Deutschlands, dass er ausschließlich in sogenannten Rotwildbezirken existieren darf.
Große Pflanzenfresser haben beträchtliche Raumansprüche.
Große Pflanzenfresser können das Ökosystem umfassend verändern. Durch ihre Nahrungsaufnahme beeinflussen sie die Gras- und Krautvegetation als auch die Verjüngung von Gehölzen. Ihr Tritt hinterlässt Spuren, sie verbreiten Samen, von ihrem Dung profitieren Pilze und Insekten und von ihrer Verwesung Aasverwerter. Durch Verbiss und Schälen an Bäumen kann es im Wald auf Teilbereichen zu lichteren bis offenen Vegetationsstrukturen kommen. Im Zuge der natürlichen Waldentwicklung entstehen durch umgestürzte Bäume oder Baumgruppen mosaikartig aber auch Bereiche, in denen der Einfluss der Pflanzenfresser geringer ist. Hier können sich Gehölze verjüngen, die ansonsten empfindlich gegenüber Verbiss sind. Zu erwarten ist darüber hinaus, dass große Beutegreifer (siehe Position 7) in den Wildnisgebieten das (Fraß-)Verhalten der Großherbivoren beeinflussen und es zu einer dynamischen Veränderung der Lebensräume kommen wird.
Große Pflanzenfresser haben beträchtliche Raumansprüche, die oft deutlich über die Größe eines Wildnisgebiets hinausgehen. Außerhalb der Gebiete kann es zu Konflikten kommen, wenn die Tiere Fraß- und Trittschäden auf land- oder forstwirtschaftlichen Flächen verursachen. Bei Bedarf kann in der Pufferzone Einfluss auf die Bestände genommen werden. Zäune im und um das Schutzgebiet schließen jedoch eine Einstufung als Wildnisgebiet aus. In begründeten Ausnahmefällen sollte es jedoch möglich sein, Gefahrenstellen in Abschnitten abzusichern.
Eine eigenständige Wiederbesiedlung durch große Pflanzenfresser ist zu begrüßen. Elche, Wisente und Hirsche können wichtige Botschafter für Wildnis sein. Für die Einstufung einer Fläche als Wildnisgebiet ist ihr Vorkommen aber keine Voraussetzung. Große Pflanzenfresser können in Wildnisgebieten aktiv wieder angesiedelt werden, wenn dieses Gebiet und gegebenenfalls das Umland ausreichend Raum und Nahrung für eine dauerhaft lebensfähige, wild-lebende Population bieten.
Der Elch kehrt eigenständig in die östlichen Randbereiche Deutschlands zurück.
Foto: ©Daniel Rosengren