Wildnisart: Knochenglanzkäfer
Relikt unserer Urwälder
von Clara Seipel, Europareferat der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF)
Knochenglanzkäfer leben von Haut, Haaren und Knochen – und sind zugleich seltene Zeugen uralter Wälder. Über ein Jahrhundert nach ihrem Verschwinden ist die Urwald-Reliktart zurück in den Buchenbeständen der Hohen Schrecke.
Verborgen in den schattigen, uralten Wäldern Thüringens lebt ein kleines Geschöpf mit einem eigentümlichen Namen: der Knochenglanzkäfer (Trox perrisii). Und den trägt er nicht zufällig: Das kleine Tier ernährt sich ausschließlich von Knochen, Haut und Haaren. Um diese wenig sympathische Tatsache auszugleichen, hat ihm die Natur einen schönen, metallisch glänzenden Panzer mit auf den Weg gegeben. Über 100 Jahre galt der Knochenglanzkäfer in Thüringen als ausgestorben, bis er 2010 im ZGF-Projektgebiet Hohe Schrecke wiederentdeckt wurde.
In der Hohen Schrecke in Nordthüringen birgt der fast vergessene Wald wertvolle Naturschätze: alte Baumriesen, Wildkatzen, Fledermäuse – und den Knochenglanzkäfer. Genau dieser Lebensraum mit urwaldähnlichen Strukturen, viel stehendem und liegendem Totholz ist es, den der anspruchsvolle Käfer braucht. Doch damit nicht genug.
Altbau mit Historie, bitte!
Der Knochenglanzkäfer ist nicht sehr mobil und kommt meist nur in Wäldern vor, die nie gerodet wurden. Möchte er umziehen, kann er nur rund 500 Meter weit fliegen. Dort ist er dann auf den nächsten alten Baum angewiesen, der die Höhle eines Schwarzspechts für ihn als Unterschlupf bereithält. Doch als optimales Heim genügt es ihm nur, wenn auch brütende Hohltauben, Bilche oder Waldkäuze dort seine Vormieter waren.
Und dann ist da noch die Sache mit den Larven: Der Nachwuchs des Knochenglanzkäfers entwickelt sich im Mulm. Das kann man sich als flauschige, pulverartige Substanz vorstellen, die sich durch den Abbau von totem Pflanzenmaterial, Futterresten und Ausscheidungen von Tieren bildet. Mulm mit Feder- und Knochenresten durchsetzt, ist die Lieblingsspeise des Knochenglanzkäfers.
Bedrohte Seltenheit
Der anspruchsvolle Knochenglanzkäfer gehört zu den Urwald-Reliktarten. Es gibt 115 dieser Erben unserer Urwälder in Deutschland. Viele der Arten sind vom Aussterben bedroht, auch der Knochenglanzkäfer. Dabei stehen sie nicht nur stellvertretend für eine intakte Waldwildnis, sondern auch für stabile Ökosysteme, die sich selbst regulieren. Die ZGF setzt darum auf den Schutz und die Erhaltung wichtiger Lebensräume wie der Hohen Schrecke mit ihren ursprünglichen Laubwäldern.
Dieser Artikel erschien erstmals im Gorilla Magazin der ZGF. Die gesamte November Ausgabe des Gorilla können Sie hier lesen.


