„Nichtstun“ als Strategie für resilientere Wälder
Erstmals Forschungsergebnisse zum Störungsregime in Waldschutzgebieten im Vergleich zu bewirtschafteten Wäldern veröffentlicht
Wälder, die sich natürlich und weitgehend ohne menschlichen Einfluss entwickeln führen nicht zu einer Zunahme von Störungen wie Borkenkäferbefall, Windwurf oder Dürre – das belegt eine aktuelle Studie, die Forschende der Technischen Universität München (TUM) im Wissenschaftsmagazin „Journal of Applied Ecology“ veröffentlicht haben.
Wie können Wälder gegen Störungen geschützt werden?
Waldstörungen wie Borkenkäferbefall, Windwurf und Dürre nehmen im Klimawandel weltweit zu. Das stellt die Waldbewirtschaftung vor große Herausforderungen. Gleichzeitig gilt die Stilllegung von Wäldern und damit das Zulassen einer natürlichen Dynamik ohne Einfluss des Menschen für den Naturschutz als zentraler Ansatz, dem Verlust der biologischen Vielfalt entgegenzuwirken. „Die vermutete Zunahme natürlicher Störungen wird jedoch oft als Argument gegen die Schaffung neuer Waldreservate angeführt. Groß angelegte Studien zum Störungsregime in Waldschutzgebieten im Vergleich zu bewirtschafteten Wäldern fehlten jedoch bisher“, so die Erstautorin der Arbeit, Kirsten Krüger von der TUM.
Nutzungsfreie Waldschutzgebiete weisen weniger Störungen auf
„Unsere zentrale Forschungsfrage lautete: Sind Wälder ohne Bewirtschaftung tatsächlich stärker von Störungen durch Wind, Borkenkäfer und Dürre betroffen als aktiv bewirtschaftete Wälder?“, erläutert Prof. Rupert Seidl, Forschungsleiter im Nationalpark Berchtesgaden und Leiter des Lehrstuhls für Ökosystemdynamik und Waldmanagement an der TUM, der die Studie leitete. Er fasst zusammen: „Für Deutschland lautet die Antwort eindeutig: Nein.“ Krüger ergänzt: „Auf Basis von Satellitendaten für die Jahre 1986 bis 2020 konnten wir nachweisen, dass nutzungsfreie Waldschutzgebiete durchschnittlich eine um 22 Prozent geringere Störungsrate und eine um 32 Prozent geringere Störungsstärke aufwiesen als vergleichbare, aktiv bewirtschaftete Wälder. Der Unterschied zwischen Waldreservaten und Wirtschaftswäldern war dabei vor allem in Jahren mit extremen Stürmen oder Dürren stark ausgeprägt“.
Versachlichung der Diskussion rund um Großschutzgebiete
Peter Südbeck, Vorstandsvorsitzender von Nationalen Naturlandschaften e. V. – dem Dachverband der deutschen Nationalparke, Wildnisgebiete und Biosphärenreservate – begrüßt die Resultate: „Das Zulassen natürlicher Dynamik in Wäldern ist ein zentrales Element zum Erhalt der biologischen Vielfalt in diesen Lebensräumen. Dass der Naturschutzgrundsatz ‚Natur Natur sein lassen‘ nicht zu verstärkten Waldstörungen führt, kann zur Versachlichung vieler Diskussionen rund um unsere von Wald geprägten Großschutzgebieten beitragen.“
Forschungsdesign
Die Wissenschaftlerinnen haben deutschlandweit Waldstörungen durch Borkenkäferbefall, Windwurf oder Dürre in aktiv bewirtschafteten und auf stillgelegten Flächen untersucht. Dabei verglichen sie Wirtschaftswälder mit Waldschutzgebieten vergleichbarer Artenzusammensetzung, Klimasituation und Geländeform. 314 solcher rund 20 Hektar großen „Paare“ aus bewirtschafteten Wäldern und seit mindestens 35 Jahren unter Schutz gestellten Wäldern gingen in die Studie ein.
Diese Meldung beruht auf der Pressemitteilung der Stiftung Nationalen Naturlandschaften e. V., Mitglied der Initiative Wildnis in Deutschland.
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